Buch Review

Micha | 19.08.2018

“Liebe Bärbel,

als ich den Klappentext zu “Barbarentage” las, glaubte ich zwar wohl, dass es ums Surfen geht, aber ich war mir sicher, dass das Surfen in einem Buch mit fast sechshundert Seiten nur eine Art Aufhänger ist und gewiss in dieser Autobiographie Finnegans journalistische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen. Ich war mir auch deswegen sicher, weil man keine solche Anzahl an Seiten nur übers Surfen schreiben kann, weil kein Mensch mehr als drei Dutzend Seiten übers Surfen lesen will und kein Autor einen Pulitzerpreis bekommt, wenn nicht mehr dahinter steckt.

Falsch gedacht und ich bin überrascht. In dem Buch geht es praktisch nur ums Surfen und das in solch vielfältiger Weise, dass es kaum zu glauben ist. Die schier endlose Ansammlung von Erlebnissen im Wasser, die immer neuen Orte und Menschen (Surfer!), alleine dass es soviele Surfbegriffe gibt und so viele Attribute um Meer, Wasser und Wellen zu beschreiben. Ab und zu glaubt man die Brandung zu hören, während man im Buch liest. (Nicht nur einmal musste ich darüber nachdenken, wie die Übersetzerin das wohl hinbekommen hat. Ich weiss mittlerweile, nur durch die Untersützung und fachliche Beratung eines eingefleischten deutschen Surfers.)

Geht es nur ums Surfen? Eigentlich ja. Wirklich nur ums Surfen? Hmm, schon ja. Was meinst Du? Nur ums Surfen? Nein, eigentlich nicht. Jeder Leser und jede Leserin wird sich wohl fragen, wer hier im Leben richtig oder falsch liegt. Mit etwas Neid liest man von seinen Reisen um des Surfens willen, bewundert mit welcher Zuversicht und ohne Kohle er seiner Passion folgt und welche Höhepunkte er findet und empfindet. Das macht den Reiz des Buches aus. Gleichwohl welchen Raubbau er betreibt, an seiner Gesundheit, an Menschen und an seiner Lebenszeit.
Oder sind doch wir es, die die Zeit verschwenden? Hauptsächlich diese Frage ist mir nach dem Buch geblieben. Ein wenig hat sich mein Leben durch das Buch geändert - soviel kann ich sagen. Im nächsten Leben werde ich wohl Surfen probieren, natürlich nicht erst mit 10 Jahren (Insider für die, die das Buch gelesen haben) und in diesem Leben sage ich lieben Dank für das ungewöhnliche, nichtmainstreamartige, geschenkte Buch.”

Infos

Erschienen: 07.05.2018
suhrkamp taschenbuch 4873, Klappenbroschur, 566 Seiten
ISBN: 978-3-518-46873-9

Inhalt
Vor fünfzig Jahren verfällt William Finnegan dem Surfen. Damals verschafft es ihm Respekt, dann jagt es ihn raus in die Welt – Samoa, Indonesien, Australien, Südafrika –, als Familienvater mit Job beim New Yorker dient es der Flucht vor dem Alltag … Barbarentage erzählt die Geschichte dieser lebenslangen Leidenschaft, sie handelt vom Fernweh, von wahren Abenteuern und den Versuchen, trotz allem ein Träumer zu bleiben. Ein Buch wie das Meer, atemberaubend schön.