Das WorldWideWeb ist nicht das Internet und genauso wenig wie das Internet war das WorldWideWeb, kurz Web, für die breite Masse gedacht. Aber so eine geniale, praktische Idee wächst und gedeiht und drängt in die weite Welt hinaus - seinem Namen alle Ehre machend.
Tatsächlich sieht man die Entwicklung des Web wie die eines heranwachsenden Menschen. Die Geburt war unspektakulär, auf keinen Fall eine Totgeburt, aber ob es dauerhaft überleben wird, wusste man damals nicht. Es schließt sich eine Entdecker- und Spielphase an. Vieles wird ausprobiert, erste Strukturen manifestieren sich und die ersten Schritte aus dem geschützen Raum heraus in die Öffentlichkeit werden gemacht. Dann die Erziehungsphase in der das junge Web lernen muss, dass es Regeln gibt, eine Ordnung nach der sich alle richten müssen und vor allem: Es ist nicht nur zum Spaß auf der Welt, es muss von Nutzen sein, es muss produktiv eingesetzt werden können.
Trotz allem entdeckt das Web die totale Freiheit, Musik, Filme, Animation, Zusammensein mit Gleichgesinnten, gegen und auch mit dem Bisherige. Es ist seine Zeit der Kreativität. Natürlich, wie überall geht es auch um ‘über die Strenge schlagen’ und um Sex.
Das junge erwachsene Web wird von den Marketingabteilungen aller Länder entdeckt. Der Kommerz arbeitet nun mit an den Regeln und das prägt viele seiner Jahre. Es ist ein ständiger Kampf um die Richtung, was soll aus dem jungen Web denn mal werden. Jeder versucht das Web in seine Richtung zu biegen, die Verkäufer, die Nerds, die Politiker und vor allem das Geld.
Das Web wird älter, nähert sich dem Dreißigstem, hat keine praktischen Klamotten mehr an, es kann sich kaum noch erinnern, was es früher trug. Es kommt als Hipster daher. Es wird dafür bezahlt Influenzer zu sein. Hinter den vielen Werbeaufklebern am ganzen Körper sieht man das aufrecht stehenden Web kaum noch. Das Web ist erwachsen und stark. Es transportiert politische Meinungen, ist zugleich anfällig für Beeinflussungen, wird ausgenutzt und die dunkle Seite ist sehr mächtig. Genauso mächtig ist seine Möglichkeit zur Aufklärung - es bedient sich an vielen Stellen seines Verstandes, vermittelt Stärke, Hoffnung und ist sehr kommunikativ. Und gerade das macht vielen Angst.
Menschen werden reguliert, wenn sie zu stark werden, so das Web. Neue Regeln, Korsetts allenthalben, seine Meinung darf es vielerorts nicht mehr sagen, selbst flüstern wird argwöhnisch beäugt. Es wird überwacht, zurückgehalten, eingeschränkt oder gleich eingesperrt.
Das Web ist 30 Jahre alt und immer noch ist sein Lebensweg nicht entschieden.
Ich wünsche Dir, liebes Web, die Rückbesinnung auf die Werte, die Dein Vater Tim Berners-Lee im Sinn hatte. Den offenen Informationsaustausch über alle Grenzen hinweg. Ich wünsche Dir mehr Sein als Schein. Dass Dir die Neulandmuggel die Freiheit zugestehen, die Du für ein kreatives Leben brauchst. Dass Du dem Geld widerstehst. Dass Du Wege aus der Überwachung findest und weiterhin ein Menschenfreund, nicht ein Menschenfeind bist.
Alles Gute zum Geburtstag.