Leserbrief: Verharmlosung von Kindesmissbrauch

Micha | 08.11.2019

Heute erschien in der Süddeutschen ein Artikel von Willi Winkler “Sturz eines Denkmals” über die Missbrauchsvorwürfe gegen Klaus Kinski. Der Inhalt des Artikels hat mich so aufgeregt, dass ich einen Leserbrief geschrieben habe [Update: …., welcher veröffentlich wurde].

“Der Artikel von Herrn Winkler ist vom ersten bis zum letzten Satz nur zynisch. Er räumt ein, dass die Anschuldigungen, die Details, “wohl stimmen”, im Text kann er vor diesem Hindergrund aber keine Grenze ziehen zwischen Opfer und Täter. “Es gab eine Zeit, da war eine Frau keine Frau, wenn sie keine Missbrauchsgeschichte vorweisen konnte.” Bereits der Einstieg lässt einen schon verwundert die Augen reiben. Bei weiteren Sätzen stellen sich einem aber dann endgültig die Nackenhaare auf: “Wenn Pola Kinski den Verführer schildert, lässt sie keine Kitsch-Vokabel aus.”
Der einzige, der hier Kitsch verbreitet ist Herr Winkler, denn der Täter ist kein Verführer, er ist ein krimineller Pädophiler und es gibt in diesem leider realen Drama keine, die sich verführen lässt, es gibt nur ein Missbrauchsopfer - mindestens eines. Der Autor selbst ist es, der hier ständig einen kitschigen und unpassenden Grundton verbreitet. Er spannt den Bogen von Rilke, nur weil der im gleichen Verlag erschien wie das Buch von Frau Pola Kinski, über Nabokovs Roman Lolita’. Er grenzt zwar ab, die Missbrauchsgeschichte habe mit klassischer deutscher Literatur wenig zu tun, ich frage mich, was hat das Ganze in diesem Artikel überhaupt mit der Sache zu tun?
Hier geht es weder um Literatur noch um Lyrik und eben darum ist Herr Kinski nicht einfach ein “Wüterich”. Es ist unwahrscheinlich, dass man einen solchen jahrelangen Missbrauch mit einem Buch “..damit ein für allemal verarbeitet hat” - so einfach ist die Welt leider nicht. Die Schlussfolgerung im letzte Satz erschließt sich dann leider nur aus der Logik des Autors und man muss ihm widersprechen. Ist das ganze wahr, wäre es keine weitere Facette in der Rückschau auf Kinski, so wie wenn er überraschend auch getöpfert hätte. Nein! Es wäre ein zentraler Fakt, der Kinski von einem maßlosen Exzentriker zu eine Kindesverwaltiger machte.”
– Michael Hofmann, Kitzingen

Update

  • Der Leserbrief wurde veröffentlicht.
  • In einem darauf folgenden kurzen schriftlichen Austausch (Service der SZ) wurde mir klar, dass Herr Winkler seine Position nicht überdenkt.

Update

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